(Wie) gehören die zusammen: Spiritualität und Design? „Gar nicht!“, wird die Antwort von den meisten sein. Bei Designern denkt man zumeist doch an hippe Leute, die, immer komplett in schwarz oder sonst wie supercool gestylt tagsüber hippen Kreativkram machen und am Abend mit einem Gin Tonic auf einer Vernissage abhängen. Und Spiritualität beziehungsweise spirituelle Menschen? Das sind doch eher die, die aufs Oberflächliche scheißen, und denen die Optik total egal ist. Oder, bei ihnen sieht alles nach „unförmiger, unfarbiger, bis zum Anschlag zugeknöpfter Strickjacke“ oder Hippie-Paisley-Lalala aus.
Wie sollten nun also Spiritualität und Design unter einen Hut zu bringen sein?
- Sind haben die beiden bei einer tieferen Betrachtung mehr in ihrer Essenz gemeinsam, als man beim ersten oberflächlichen Draufschauen meinen könnte. Riesiges Thema! Dazu mal mehr …
- Muss es einfach so sein, weil die beiden Komponenten in mir als Mensch Tag für Tag stattfinden.
Anstatt, dass ich mich einfach so vorstelle, wie es langsam an der Zeit wäre, springen wir direkt in die Untiefen meiner Seele: Was sie so glaubt.
Von tief-urbayerischem Dorf-Katholizismus, und wie er permanent an mir abprallte
(1980er)
Aufgewachsen bin ich in unterschiedlichen oberbayerischen Kuhkäffer. Eigentlich hätte ich mit jedem Atemzug urbayerischsten Erzkatholizismus inhalieren müssen. Hat aber teflonmäßig nicht geklappt.
Wohl aber hätte ich all das glauben wollen! Ich habe es als Kind ehrlich versucht. Aber selbst als ich im Grundschulalter jeden Sonntag in die Kirche marschierte (übrigens freiwillig und allein), wurde mir bei jedem „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter meinem Dach“ ganz komisch. Es fühlte sich falsch an.
Stattdessen betete ich inbrünstig: „Bitte, lieber Gott, wenn es dich gibt, lass mich an dich glauben!“ – Bemerkst du die feine Ironie?
Denn ich wusste ich immer, dass es mehr gibt. Allerdings komplett unspektakulär, ohne große Erlebnisse, Erkenntnisse oder Special Effects. Ich habe als Kind nie mit unsichtbaren Freunden gespielt. Meinem frisch verstorbenen Opa habe ich jedoch höchstwahrscheinlich zum „Abschied“ gewunken, während ich mein Fläschchen bekam.
Träume waren bei mir schon immer überaus intensiv. Meine Beziehung zu Katzen ist abnormal. Aber sonst fiel ich nie mit irgendwas auf. Auch mir fiel nichts auf, außer, dass ich mich immer anders fühlte – was aber auch kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass wir allein in meinen ersten zehn Lebensjahren achtmal umzogen.
Mein innerer Widerspruch, diese innere Zerrissenheit zwischen einem durchaus tiefen, aber komplett namen- und wortlosen Glauben und der Unfähigkeit, den mit Religion unter einen Hut zu bringen, löste sich erst Mitte der Neunziger. Die Firmung – meine gefühlte „letzte Chance“ – hatte nix gebracht. In Religion lernten wir alle Weltreligionen, aber ich hätte mich höchstens zwischen Hinduismus und Buddhismus verorten können.
Der Glaube kam dann doch. Allerdings ganz anders als gedacht …
Lila Bücher, Tarotkarten, Traumdeutung und so
(Mitte der 90er)
1996 machte meine Mutter einen Kurs in Autogenem Training. Die Lehrerin, eine Heilpraktikerin, erzählte dort jedesmal spannende Dinge, die meine Mutter mir danach erzählte und bald auch erzählen musste: Sachen über die Seele, das Bewusstsein, Reinkarnation, Archetypen und Traumdeutung. Ich malträtierte meine Mutter so sehr mit meinen Fragen, dass sie irgendwann meinte, ich solle den Kurs doch selber besuchen.
Im nächsten Semester saß ich also selbst auf der Yogamatte, Donnerstag für Donnerstag. Wissbegierig saugte ich alles auf. Der Aufbau-Kurs war nicht etwa „Autogenes Training II“, sondern „Meditation“, und unsere Lehrerin erzählte immer mehr und mehr alten Weisheiten und Traditionen, plus all dem New-Age-Esoterischenn, das damals aufkam: Aura, Pendeln, Traumdeutung, Archetypen, Astralreisen … Die Frau hatte umfassende Lektüre zu all den Themen, wir konnten sie uns leihen – oder meine Mutter kaufte die Bücher gleich selbst. Ultrapraktisch, weil sie jedesmal vom Bücherladen mit gleich drei anstelle nur dem einen Buch zurückkam. War ich im Buchladen dabei, staunte ich über das Esoterik-Regal nicht schlecht: Viele lila Bücher vom Knaur-Verlag, eines spannender als das andere! Fein schnuppernde Räucherstäbchen. Wunderschöne Orakelkarten – das klassische Tarot fand ich die längste Zeit gruselig und war mir zutiefst suspekt. Pendel. Steine. Naturgeister. Alles!
In den Büchern fand ich endlich, was ich in klassischen Religionen niemals gefunden hatte. Diese Spiritualität in all ihrer Vielfalt und Offenheit war mir nun endlich zugänglich. Es gibt keine Regeln, man pickt sich eben heraus, was sich stimmig für einen anfühlt.
Endlich hatte ich meine Worte, meine Bücher und meine Leute.
Nur waren das alles Frauen um die Vierzig.
Spiritualität war endlich da – und die Freunde weg
(Mitte bis Ende der 90er)
Mein wunderbares neues Wissen konnte ich leider nicht mit Gleichaltrigen teilen: Denn ich war kaugummisüße 16 und lebte in einer oberbayerischen Kleinstadt. Für meine Freundinnen und Klassenkameraden waren die elementare Fragen „Nirvana oder Oasis?“ und nicht „Nirvana oder Samsara?“.
Wenn ich nun versuchte, darüber mit ihnen zu reden, was ich wollte, weil ich davon so begeistert war, fühlte ich mich schnell erschreckend außenseiterig. Schnell ließ ich es wieder damit sein. Das Außenseitertum hatte ich damals gerade abgelegt; ich war froh darüber, als die Sonst-Ewig-Zugezogene endlich angekommen zu sein, und wollte auf keinen Fall aus dem Klassenverbund fallen! Also klammerte ich all das Esoterische aus und praktizierte es fein säuberlich nur dort, wo es dem Wortursprung auch hinsoll: Im Verborgenen, im stillen Kämmerlein. Ich ließ mich nur nicht darum lumpen, leidenschaftlich mit unserem Religionslehrer zu diskutieren, ob Tiere nun eine Seele haben oder etwa nicht.
Spiritualität UND Design kann man leider nicht studieren …
(Ende der 90er)
Als es um das leidige Thema „Berufswahl“ ging, wusste ich lange Zeit nicht, welchem Impuls ich mehr nachgeben sollte: Das Kreative, das mich von Kindsbeinen an begleitete? Ich war ständig die mit der Eins in Kunst, Musik und Deutsch. Oder eben die neu entdeckten Fragen rund ums Bewussstsein.
Ich wollte lieber Psychologie studieren. Bis ich in der Oberstufe endlich das Nachmittagsfach „Psychologie“ belegen konnte: Woche um Woche harrte ich nun aus, wann endlich der Begriff „Seele“ fallen würde. Er kam nie. Und mein Berufswunsch: ging.
Einzig die Parapsychologie hätte mich noch gereizt, aber dafür war ich zu pragmatisch und praktisch veranlagt. Ich wollte etwas Handfestes, und als „Kommunikationsdesign (KD)“ meinen Weg kreuzte, war alles für mein Dafürhalten alles klar: Das war cool, und – noch cooler! – man hielt auch die Leute für cool, die das machten. Cool!
Cool sein ging damals doch über alles.
Rein ins „nur-Design“
(Anfang der 2000er)
Das ganze Design-Studium über legte ich den Fokus dermaßen aufs Studium und Coole, dass ich „das Esoterische“ komplett links liegen ließ. Zwar hatte nach wie vor sämtliche Bücher in meinem zum Platzen gefüllten Expedit, blickte aber kaum noch rein.
Stattdessen las ich in einer „Psychologie heute“ vom Barnum-Effekt und ließ – irritiert davon – erst einmal komplett von der Astrologie ab. Dass das nur als Erklärung auf der materiellen Ebene zählt, nicht aber auf der Ganzheitlichen, verstand ich damals nicht.
Ich nahm also erst einmal Abstand. Und machte lieber übers Esoterische lustig. Mir ging es nun vielmehr darum, Anschluss bei den coolen Kommilitonen zu finden. Und war umso irritierter, wenn Leute zu mir meinten: „Hey, du siehst aus, als würdest du Yoga machen?“
Ich wollte damit nichts (mehr) zu tun haben. Es waren die aufkeimenden 2000er, in denen das Spirituelle immer noch ein unangenehmes Geschmäckle hatte, so wie die langsam, aber immer mehr und mehr resolut aufkeimenden Bio-Läden. „Das ist was für die Ungekämmten!“, lästerten wir. Ich wollte nicht dazugehören, obwohl ich selbst immer als die mit den schlimmsten verwuschelten Haaren herumlief.
Dass das Feinstoffliche nach dem Jahr 2000 in der Allgemeinheit ankäme, hatten meine Heilpraktikerin und Astrologin prognostiziert: Wassermannzeitalter! Da werden all diese Themen ganz normal sein! Ich konnte es mit 16, 17 kaum glauben und freute mich sooooooo auf diesen Moment. Und als er endlich da war, verpasste ich ihn. Wohlwissend und vermeintlich freiwillig.
Hinein in die nächste Dimension?
(2012)
Ich war Artdirektorin in einer Designagentur in Friedberg bei Augsburg. Das Feinstoffliche war so ein bisschen in meinem Leben, aber nur als Hobby. Ich näherte mich laaaaaaaangsam wieder an.
Als ich Jahr für Jahr den firmeneigenen Weihnachtsgeschenk-Kalender gestaltete, suchte ich mir für 2012 das Thema „Weltuntergang“ heraus: Denn der war in aller Munde, auch bei den Nicht-Esoterikern.
Am 21.12.12 ging die Welt dann doch nicht unter, wie ich auch in meinem Tagebuch schrieb: „Die Welt steht noch!“ Dass auf der Seite daneben ein Traum notiert ist, in dem ich ein Weltuntergangsszenario erlebt hatte, habe ich damals nicht einmal ansatzweise bemerkt.

Ich war so raus aus den Themen Spiritualität, Metaphysik und Esoterik, dass ich erst nicht einmal bemerkte, als sie wieder einzogen in meinem Leben – und das aller anderen.
Sie tarnten sich als Persönlichkeitsentwicklung.
Spiritualität im neuen Design
(2015 und folgende)
Auf YouTube sah ich mit Anfang/Mitte Zwanzig vor allem Videos über Schminke und Kosmetik an. Auf einmal waren da aber auch immer mehr Videos von Männern, die über Bühnen sprangen und Esoteriksachen erzählten: Robert Betz. Veit Lindau. Während in den 90ern vor allem Frauen drüber redeten und das überwiegend im stillen Kämmerlein, sprachen nun vor allem Männer darüber, öffentlich und lauthals! Sie waren sogenannte Business-Coaches. Und schmissen die ganze Zeit mit den Sprüchen um sich, die ich längst aus meinen Esoterik-Büchern kannte.
Ich sage es ungern – aber ich war ernsthaft beleidigt.
Auch auf Instagram war auf einmal alles mit Coaches voll. Statt Businesses wurden jetzt auch Privatleute gecoacht. (Ist da eine gewisse Parallele zu erkennen beim Branding: Erst die Firmen, dann alle Leute?)
Die ersten Influencerinnen wurden heftigst bekannt damit. Laura Malina Seiler und wie sie alle heißen. Was sie erzählten, wusste ich auch. Meistens sogar wesentlich tiefer! Nur: Die waren damit jetzt berühmt, und ich weiterhin der Nobody, der als Grafikdesignerin in einer Agentur herumdümpelte. Ich war noch mehr beleidigt.
Der feinstoffliche Anteil in mir wollte raus, der coole das tunlichst vermeiden. Mein Ego war ultimativ beleidigt, als ich sah, dass andere ihr Ding einfach durchzogen und auch noch Erfolg damit hatten. Aber der coole Anteil in mir hatte fulminant Panik, dass das Esoterische, Feinstoffliche, Mystische mit dem ganzen sorgsam aufgebauten Image als Designerin null zusammenpasste. Dass es das regelrecht kontaminieren, konterkarieren würde.
Es zerriss mich förmlich, mich nur auf die eine Hälfte zu beschränken.
Langsam wuchs der Wunsch, ja das tiefste Bedürfnis, die beiden Aspekte in mir wieder zu vereinen. Und sie auch offen nach außen zu leben. Alles andere wäre ungesund gewesen.
Mein spirituelles Outing
(2022)
2022 outete ich mich in meinem sonst überaus gewöhnlichen Stadt- und Lifestyleblog Auxkvisit als „Spirituelle“. (Eine Formulierung, die unglücklicher nicht sein könnte, aber belassen wir es an dieser Stelle dabei.)
Der Zeitpunkt hätte unglücklicher nicht sein können: In dieser beginnenden Corona-Ausnahme-Zeit wurden schnell alle Spirituellen in einen Topf geworfen mit Querdenkern, Schwurblern, Rechtsesoterikern und wie man sie sonst noch wenig schmeichelhaft nannte.
Ich machte es mir also nicht gerade leicht damit, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt öffentlich zu sagen: „Hey, ich glaub an deutlich mehr: Ans Große, Allumfassende, Unerklärliche. Ich habe ein feinstoffliches-ganzheitliches Weltbild!“ Damit ging ich keineswegs hausieren – aber ich wollte mich nicht länger damit zurückhalten, wenn mal die Rede darauf kam.
An politischen und weltgeschichtliche Diskussionen konnte ich mich kaum mehr beteiligen, weil ich mich nicht auf Hü oder Hott, Schwarz oder Weiß festlegen (lassen) wollte. Für viele schon Grund genug, mich skeptisch zu beäugen: Eine neutrale Haltung war und ist selbst heute noch oft verdächtig genug, zum „falschen Lager“ zu gehören. Und wenn ich mal etwas anderes sagte, wie etwa ein hochgradig verwerfliches „Ich bin Pazifist und finde Krieg scheiße“, wurde ich gleich direkt gemaßregelt, „das könne man so heute nicht mehr sagen“.
Also sagte ich, das Plappermaul, das sich nie mit seiner Meinung zurückhielt, immer weniger. Denn ich bin kein Mensch, der leidenschaftlich gerne diskutiert (wenn es nicht um Tierseelen geht). Ich hasse Streit und wenn es laut wird. Also wurde ich immer stiller. Und kam einmal wieder an meinen persönlichen Trigger-Thema an:
Ich will wegen meinem Sein doch nicht aus meiner Gruppe fallen!
Also hielt ich mich zurück. Mal wieder.
Das strengt an.
2025: eine ganzheitliche Designerin
Als ich aus einer Kulmination unterschiedlichster Gründe kündigte, schwor ich mir, ab sofort den Fokus komplett auf meinen ungebändigten, freien Selbstausdruck zu legen. Nie wieder wollte ich von irgendwem beschränken oder den Mund verbieten lassen!
Ich machte mich selbständig als Designerin und Texterin. Begann mit dem Aufbau meiner Geschäftsidee mit dem ganzheitlichen Branding – irgendwie muss man sich ja positionieren. Postete die ersten Beiträge.
Und fühlte mich wieder blöd. Irgendwas stimmte nicht.
Bis ich merkte: Jetzt limitiert mich kein anderer mehr.
Jetzt limitiere ich mich selbst!!
Ausgerechnet das Spirituelle fehlte komplett in meinem Marketing. „Das Wort ,ganzheitlich‘ sagt ja schon alles“, meinte ich zu Beginn. Dann würden sich die Richtigen schon angesprochen fühlen. Und: „Das Spirituelle-Feinstoffliche fließt ja eh immer mit hinein!“ Ja, zurückhalten wollte ich mich zwar nicht mehr – aber ich habe in den ersten Monaten gar nicht daran gedacht (!), das Spirituelle offensichtlich zu machen. Ich hatte es schlichtweg vergessen. Verdrängt …
Alle „guten“ Dinge sind drei!
Ich war zum dritten Mal in dieselbe Schmerzfalle getappt. Und diesmal umso schmerzvoller, weil ich mich selbst limitiert hatte. Ohne das überhaupt zu bemerken.
Puuuh, wie peinlich!
Vor allem, wenn man dachte, „es doch längst gelernt zu haben“.
#Spiri-Classic #EhrenrundeNextLevel😅
Spiritualität und Design passen natürlich zusammen!
Allemal in mir. Ich leb das jetzt einfach.
Und wie du siehst, muss das gar nicht mal danach aussehen, wie man es im ersten Moment meinen könnte: Denn ich selbst habe überhaupt kein Vergnügend mit dem klassischen „spirituellen Design“, wie man es so kennt. Ich will kein Weiß mit einem schüchternen Beige als „Kontrast“ und eine zarte Schnörkelschrift in Gold. Nix gegen Naturbilder, aber in dem Kontext: Gähn! Und Sonnenunter- und aufgänge? Klischee, bääääh! Weg damit! Das geht doch auch anders …
Ich lasse mir die Idee nicht nehmen, dass Spiritualität und Design noch enger Hand in Hand gehen können. Und dass Spiritualität auch richtig cool aussehen kann. Dass Cooles spirituell sein kann. Einige Mutige machen es längst vor: Mady Morrison. Frank Berzbach.
Und ich bin mir sicher, es gib so viele Tausende mehr.
Gehörst du auch zu ihnen?