In dieser neuen Serie erfährst du Peu a Peu Design-Basics! Ja, Wissen aus erster Hand, direkt von einem Profi: Denn ich hab das ganze in Form von Kommunikationsdesign studiert und 18 Jahre lang in Agenturen praktiziert. Vor allem liegt mir aber daran, dir das Wichtigste präzise weiterzugeben: A) damit du selbst machen kannst und B) damit die Welt nicht weiterhin visuell umweltverschmutzt wird! ッ Fangen wir heute also mit der absoluten Basis an: Dem Weißraum. Denn um ihn sind schon heiße Kämpfe entbrannt zwischen Designer und Auftraggebern! Frei nach dem Motto:
Ist das Weißraum – oder kann das weg?
Wo noch Platz ist, will ein Auftraggeber noch mehr Text platzieren („Der jat da doch locker Platz?“) oder ein Bild oder das Logo vergrößern. Und dann stellt sich der Designer quer und sagt: „Nein! Mach ich nicht! Das ist keine ungenutzte Fläche, das ist Weißraum!!“ Bumm, hat er aufgelegt! Was für ein arroganter Schnösel – oder doch nur ein Designer kurz vorm Nervenzusammenbruch?
Das lässt schon erkennen: Das Thema Weißraum hat besonderen Erklärungsbedarf!
Deswegen gibt’s für Lesefaule diesen Inhalt auch als Video auf YouTube:
Definition: Was ist Weißraum?
Kurz: Was Weißraum leider nicht ist – oder doch? Der Konstruktionsraum aus dem Film Matrix! Erst in ihm geschieht „Anything we need“. Diese Analogie: passt! ✔️
Weißraum ist alles, was nicht gestaltet ist beim Grafikdesign. Böse Zungen könnten sagen: „Das ist einfach das Papier!“ Oder eben das Weiße auf einem Screen. Der Weißraum ist die ungenutzte Fläche. Als solche steht sie im unmittelbaren Kontrast zur genutzten Fläche – also alles, das mit Text, Bildern, Infografiken, Illustrationen oder Buttons gefüllt ist.
Weißraum entsteht, sobald die Gestaltung beginnt. Auch wenn er vermeintlich ungestaltet ist, trägt er wesentlich zur Gestaltung bei. Hier gilt tatsächlich die verrückte Aussage:
Der Weißraum trägt als passives Element aktiv zur Gestaltung bei.
Denn er erfüllt ganz wichtige Funktionen.
Die Funktionen vom Weißraum

Der Weißraum dient dazu, einzelne Elemente der Gestaltung klar und deutlich voneinander zu trennen. Nun gibt es dazu auch genügend andere Gestaltungsmittel wie etwa Trennlinien, aber belassen wir es an dieser Stelle beim Weißraum selbst.
Ein gutes Grafikdesign führt das Auge nämlich bewusst durchs Format – logischerweise vom wichtigsten Element zuerst zum unwichtigsten Element zum Schluss.

Ist nun alles heillos zugeklatscht mit unterschiedlichen Gestaltungselementen, die sich kaum voneinander differenzieren, etwa in Größe und Kontrast, weiß das Auge gar nicht mehr, wohin es als erstes gucken soll. Da noch vernünftig lesen und kapieren, was gemeint ist, ist kaum möglich oder sogar mit Kopf- und Augenschmerzen verbunden.
Das Design hat somit glatt sein Ziel verfehlt, dient es doch dazu, Inhalte zu vermitteln. Einzig und allein dafür ist Grafikdesign da! Dass ein Design am Schluss auch immer schön aussieht, ist nur die logische Konsequenz.
– Das gilt übrigens für Print und Web gleichermaßen.–
Regeln für den Weißraum?
Auch wenn ich dir hier gerne eine Regel an die Hand geben würde, wie viel Prozent Weißraum eine Gestaltung haben muss, damit sie funktioniert: Das geht nicht.
Verallgemeinern lässt sich Design grundsätzlich immer schwer, weil jedes einzelne Design-Projekt abhängt von den Rahmenbedingungen:
☞ Inhalt / Funktion: „Nur“ informieren [=„redaktionell“] oder Kauf auslösen [=„werblich“]?
☞ Zielgruppe: Für junge Leute kann man Design schon eher überladen; die kommen mit der Reizüberflutung besser zurecht und finden ein aufgeräumteres Design mit viel Weißraum vermutlich eher „laaaangweilig“
☞ Branche: Je schicker/seriöser/professioneller, umso mehr Weißraum bitte!
Noch nie war es so einfach, mit Nichts im Nu für mehr Qualität zu sorgen!
Wenn du also selbst dein Design machst, achte auf genügend Weißraum.
Pro-Tipp am wortwörtlichen Rande: Der Abstand zu den Seiten-Rändern sollte immer größer sein als die Abstände von den einzelnen Design-Elementen zueinander.
Fall aber bitte nicht nun ins gegenteilige Extrem, wie es so oft auf Instagram zu sehen ist: Da wird gerne auf vieeeeeel Weißraum mini-kleine Schrift gequetscht. Selbst wenn du jetzt den perfekten Weißraum hast: Wenn die Schrift so klein ist, dass man sie nicht mehr gut lesen kann, ist beim Design etwas schief gegangen. Halte dich einfach immer an die Regel aus dem Design, den Klassiker:
Form follows function!
Der Weißraum bietet dafür die Mauern, das Gerüst.
Psychologisch betrachtet: Warum wirkt Weißraum so hochwertig?
Ganz einfach: Weil es so ist!
Wortwörtlich kostet Weißraum was und man muss ihn sich leisten können. Denn ein Layout mit großzügigem Weißraum wird am Ende mehr Papier in der Produktion benötigen als eines mit nur ganz wenig. Schnell wird dann aus einer 12-seitigen Broschüre eine mit 16 Seiten, wenn alles schön locker gestaltet werden soll. Und das kostet natürlich im Druck!
Wer hier auf die Idee kommt, zu sparen, schneidet sich am Ende leider selbst ins Fleisch: Denn kosten tut die Produktion ja immer was. Jetzt sieht die günstigere Produktion aber gleich unfassbar billig aus. Dafür ist selbst der günstigere Produktionspreis zu teuer!
Im Web kannst du von Haus aus mit dem Weißraum großzügig umgehen. Mach in Insta lieber gleich einen Karussell-Post als einen Single-Post – das mag der Algorithmus ohnehin lieber …
Verrückter Vergleich aus der Mode
Viele Frauen finden kurzärmlige Hemden doof und unsexy, geraten aber ins Schwärmen über langärmlige Hemden trägt, deren Ärmel locker hochgeschoben sind. Häh?! Eigentlich unlogisch, sollte man meinen: Am Ende sind beides ja kurze Ärmel!
Aber auch hier wirkt der vergleichsweise verschwenderische Umgang mit dem Material hochwertiger, luxuriöser – und somit attraktiver. Deswegen sehen auch Klamotten, die die Figur locker umspielen, seriöser aus als knatschenge.
Und wo wir schon beim halben Offtopic sind: Was ist nun der ganzheitliche Aspekt vom Weißraum, der feinstoffliche?
Weißraum feinstofflich betrachtet
Weißraum und gestaltete Fläche funktionieren wie Yin und Yang: Sie brauchen einander! Das eine kann nicht ohne das andere, sie ergänzen einander perfekt.
Der Weißraum (Yin, passives Prinzip) bietet die Ruhe, den wortwörtlichen Raum, in dem das aktiv gestaltete (Yang) eben agieren darf – und auch kann. Denn wie oben schon erwähnt: Wenn ALLES am wuseln ist, haben wir den Effekt mit den tausend Bäumen, die den Wald nicht mehr erkennen lassen.
Erst aus dem Nichts erwächst die Möglichkeit, das alles sein kann.
Gib ihm den Raum, den er verdient. ✷